Montag, 5. Juli 2010

Wider den Frings-Effekt

Auch vier Jahre später heißt es in der einen oder anderen nachtragenden Analyse immer noch, dass die deutsche Nationalelf, die jetzt vom zweiten deutschen Fernsehen so lächerliche Namen wie "Schwarogo-Adler" bekommen soll, mit Torsten Frings (der aufgrund von Fernsehbildern wegen der Faustkampf-Einlage nach der Rudelbildung im Viertelfinale gegen Argentinien nachträglich gesperrt wurde) gegen den späteren Weltmeister Italien nicht verloren hätte. Konjunktive haben ja im richtigen Leben noch nie besonders weiter geholfen. Ist hier ganz ähnlich. Deutschland bleibt WM-Dritter 2006 und Italien behält seinen vierten Stern.

Apropos: Die Mission "Der 4. Stern für Deutschland" schien ja nach dem Ballack-Aus für viele schon so aussichtslos wie ein - sagen wir mal - zauberhaftes 4:0 im Viertelfinale gegen chancenlose Argentinier. Die deutsche Elf hatte gegen den heimlichen Turnierfavoriten und seinen drolligen Trainer keine Chance und nutzte sie ansehnlich und eindrucksvoll. Mit Jogi Bonito vom Allerfeinsten. Was Wunder, dass sich die Weltpresse überschlug und gleichzeitig verwundert die Augen rieb. Seit wann spielen die effektiven Deutschen erfolgreich UND schön?

In der einen oder anderen nachtragenden Analyse heißt es nun, dass es für Deutschland ganz schwer gegen den amtierenden Europameister Spanien wird. Was vor allem daran liege, dass ein gewisser Thomas Müller fehlt. Wer diesem Ex-Nobody bei der WM 2010 zusehen durfte, weiß, dass diese Analysten Recht haben. Ein Neuling führt die Scorer-Wertung (4 Tore, 3 Vorlagen) vor Weltstars wie Villa, Sneijder und Forlàn an und verzaubert die internationale Fußball-Gemeinde.

Und jetzt dies: Messi spielt den Ball mit der Hand, der Abpraller springt Müller an den Oberkörper und auch an die dort befestigte Hand. Gelbe Karte, absichtliches Handspiel, Müller ist für das Halbfinale gegen Spanien gesperrt. "Ein Witz!", befand der neue Chef im deutschen Mittelfeld, Bastian Schweinsteiger noch auf dem Spielfeld. Leider kann darüber niemand lachen. Am wenigsten Thomas Müller, der zwar garantiert noch einen Einsatz bei dieser WM vor der schmalen Brust hat, der aber trotzdem etwas geknickt wirkte, nach dem grandiosen 4:0-Erfolg gegen überforderte und taktisch unterirdisch ins Spiel gegangene Maradona-Mannen.

Deutschland ohne Müller - Deutschland ohne Chance? Wer weiß, was die selbsternannten Experten nach dem Halbfinale gegen Spanien sagen werden. Könnte natürlich sein, dass dieser Verlust einfach nicht zu kompensieren ist, obwohl mit Marin, Trochowski, Cacau und Kroos gleich vier mögliche Vertreter für den Platz im rechten offensiven Mittelfeld bereits mit den Stollenschuhen scharren. Könnte sein, dass das klappt. Könnte aber auch sein, dass ein torgefährlicher, unerschrockener, kreativer Müller den entscheidenden Unterschied ausmacht in diesem Spiel der jüngsten und besten deutschen WM-Mannschaft aller Zeiten (Entschuldigung, aber die 72er Elf mit Netzer, Beckenbauer und Müller war ja nun mal nur bei einer EM im Einsatz). Könnte sein, könnte aber auch nicht sein.

Konjunktive haben ja im richtigen Leben noch nie besonders weiter geholfen. Ist hier ganz ähnlich. Deutschland hat gegen den aktuellen Europameister Spanien eigentlich keine Chance. Und die gilt es jetzt wieder zu nutzen. Um das siebte Spiel bei dieser WM am Sonntag auszutragen und nicht schon am Samstag. Wie gegen England, wie gegen Argentinien. Um den 4. Stern heimzuholen, nachträglich quasi. Der Frings-Effekt ist wirkungslos. Schließlich schreiben wir das Jahr 2010 und nicht 2006.

Keine Kommentare: