Samstag, 29. Dezember 2012

Geh mir doch weg XXIII: Mundsuppe

Peter hatte Speichelfluss. Ganz schlimm. Mundsuppe, wie man im Sauerland sagte. Hatte sich arglos bei Facebook über Currywurst und Pommes unterhalten, hatte nach einem passenden Bildchen gesucht und zack! - schon lief die Spucke. Mundsuppe. Hatte seine Omma immer gesagt. Wenn die Enkel mal wieder um die Kochtöpfe lungerten und auf das Sonntagsessen warteten. Im Hochsauerland bei Peters Großeltern wurde, nunja, eher selten vegan gekocht. Schweinebraten, Gulasch, Sauerbraten, Rindsrouladen (mit Schweinemett gefüllt), grobe Bratwurst im Speckmantel, Schweineschnitzel (Wiener Art) und später: Steak. Dazu verkochtes Gemüse und verkochte Kartoffeln, ab und zu verkochter Rotkohl. Bratkartoffeln (mit Speck) und Spiegelei war schon das Vegetarischste, was seine Omma und später dann auch Peters Mutter, die ja bei seiner Omma in die Lehre gegangen war, zustande brachte. 


(Foto (c): Thomas Ottensmann)

Da im Sauerland aber niemand, der recht bei Trost war, in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern überhaupt nur auf die Idee gekommen wäre, sich von verkochtem Gemüse ernähren zu wollen, war das auch gar nicht nötig. Sie hätte wahrscheinlich auf die Aufforderung "Koch doch mal was Vegetarisches" geantwortet: "Gut, mache ich halt Hühnchen." Das hatte jedenfalls seine Omma gesagt, als Peters älterer Bruder in den frühen Neunzigern seine vegetarische Phase hatte. So waren sie halt, die Südwestfalen. Hatten das Herz am rechten Fleck. Und immer Angst, nicht satt zu werden. Und wäre es nicht Heinz Strunk gewesen, der seinerzeit diesen ebenso philosophischen wie wahren Satz geprägt hätte, er hätte aus einem Sauerländer Schlund, tschulligung, Mund kommen müssen: Fleisch ist mein Gemüse. 

(Thomas Ottensmann für: Die Wahrheit. (c) OmO Enterprises 2012)


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