Freitag, 25. April 2014

Günstlingsknicks ohne die Frisur des Jahres

Wir widmen uns heute, im Zuge des 32. Spieltags der Fußball-Bundesliga, endlich mal wieder unserem Lieblingsthema, der Erdkunde. Beim Studium der internationalen Presseschau sprang den ausgefuchsten Hobby-Geographen aus der Blog7-Redaktion folgende Meldung wie weiland Eric Cantona ins Auge: "Belgiens Nationaltrainer Marc Wilmots darf sich über eine Verstärkung seines ohnehin mit Talenten gespickten Teams freuen. Andnan Januzaj, der unter anderem für den Kosovo, Albanien, die Türkei, Serbien und England spielen dürfte, hat sich endgültig für sein Geburtsland Belgien entschieden." Aha. Aus sechs möglichen Ländern wählen? Nicht schlecht. 

Gemeinheit, gemeine.

(Foto (c): Thomas Ottensmann)

Früher war ja alles nicht nur besser,sondern einfacher. In Wickede (Ruhr) geboren, deutscher Nationalspieler. In Curitiba, Paraná, Brasilien geboren, brasilianischer Nationalspieler. Außer Paulo Rink. Deutscher Nationalspieler. Oder in Durban geboren, südafrikanischer Nationalspieler. Außer Sean Dundee. Deutscher Nationalspieler. Damals mussten aber wenigstens noch mühsam deutsche Urahnen ausgegraben werden (also nicht wörtlich), um die schnellstmögliche Einbürgerung vollziehen zu können. Heute spielen alle irgendwo, egal wo sie geboren wurden. Aber sechs Wahlmöglichkeiten bei nur zwei potentiellen Eltern? Respekt, Monsieur Januzaj. Oder Mister Januzaj. Denn wer seit seinem 18. Jahr fünf Jahre in England gelebt hat, darf auch für England spielen. Nun aber für Belgien, das - wir wissen das - neben Gibraltar zu den absoluten Geheimtipps auf der Fußball-Landkarte zählt. Und mithin (beide) auch zu geheimen Geheimfavoriten bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gezählt werden müssen. Nicht dürfen, müssen. Sehr wohl. 

Wo war ich? Ach so. Die Bundesliga. Ist die nicht vorbei? Sagte doch letztens der spanische Trainer des deutschen Meisters aus dem Freistaat Bayern. Hm. Komisch. Hier steht ein kompletter Spieltag auf dem Zettel, den mir meine blonde Praktikantin (Sportwissenschaft, Pädagogik, Sinologie)  gerade reinreicht. Egal. Womöglich für die Tonne. Aber was wäre die Bundesliga ohne ein spannendes Finale? Hö? Wie, schon entschieden? Die Bayern schon lange Meister? Ach, es gibt ja Wichtigeres in "der schwierigsten Liga der Welt", um es mit Markus Gisdol zu sagen. 

Hannover 96 wähnt sich fast gerettet. Acht Punkte und zwei Tore besser als der andere HSV. Gut, dass gegen den VfB Stuttgart ein Heimspiel auf dem Programm steht. Da geht ja oft was. Der VfB Stuttgart wähnt sich ebenso fast gerettet, was bei vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz ein wenig optimistisch erscheint. Und Trainer Huub Stevens knurren lässt. Nix da, drei Endspiele habe man noch vor der Brust, sagte er. Auch schon mal gehört, denken die Spieler. Und kicken so, wie sie manchmal eben kicken. Hannover - Stuttgart 1:1

Die Liga hat einen herben Verlust zu verkraften. Die Frisur des Jahres ist weg. Rod Stewart musste sein Traineramt beim 1.FC Nürnberg ja bekanntlich aufgeben. Was unterm Strich schade ist (höre ich da im Hintergrund Christian Streich kichern?). Holländer tun der Liga ja immer gut. Allein schon wegen der Interviews. Dem deutschen Fernsehen ja auch. Und der Klatschpresse sowieso. Aber Rod Stewart ist fort und mit ihm die letzte Hoffnung, dass der Club sich in diesem Jahr doch noch retten kann. Obwohl ja jetzt an der Seite eines Prinzen das Phantom übernommen hat. Früher war das ein Typ im lila Stretchanzug mit lächerlicher Latexmaske und Wingsuit. Heute heißt er bürgerlich Marek Mintal und genießt in Nürnberg Kultstatus, aber keinen Freifahrtschein. Außer den in Liga 2. Mainz 05 - Nürnberg 4:2

Auch Eintracht Frankfurt wähnt sich fast gerettet. Ganz Frankfurt? Nein, Armin Veh gibt sich bärbeißig und wieder mal den Medien die Schuld daran, dass seine Mannschaft so spielt, als sei sie gerettet. Acht Punkte und vier Tore Vorsprung auf den beliebten Relegationsplatz sind natürlich dürftig. Bei neun noch zu verteilenden Punkten. Um das zu verballern, müsste man aber 1. FC Nürnberg heißen. Und das - so ergaben hartnäckige Recherchen der Redaktion - ist eindeutig nicht der Fall. In Hoffenheim, das ist dieses Fußball-Internat mit dem lustigsten Torverhältnis der Liga (derzeit: 67:66), könnte man aber einfach mal einen Punkt holen, dann ist Ruhe im Karton. 1899 - Eintracht F. 4:4

Der SC Freib...,  Moooment, Christian Streich lacht noch, wir kommen also später noch mal darauf zurück.

Als eine der wenigen Mannschaften, die sich nicht gerettet wähnen, reist Eintracht Braunschweig und mithin der letzte im Wettbewerb verbliebene Zweitligist in die Hauptstadt, um beim Mitaufsteiger zu reüssieren. Zu reüssieren? Ach, fiel mir gerade so ein. Acht Tore und zwei Punkte Rückstand auf den HSV sind allerdings nicht die Welt. Und rein rechnerisch (jaha, können wir auch) geht da also noch was. Und bei Hertha? Geht irgendwie nix mehr. Seit sich die Mannschaft gerettet wähnt. Also seit dem Ende der Hinrunde. Hertha - Eintracht B. 0:2

Werder Bremen fühlt sich gerettet. Neun Punkte und minus vier Tore vor dem HSV. Das muss doch reichen. Man ist schließlich nicht der Club und mithin kein Depp. Also reisen die Bremer munter nach München, um dem deutschen Meister artig wieder in den Rhythmus zu helfen. Bayern - Werder 7:0

Herr Streich? Lacht noch. Könnten Sie sich bitte mal einen Moment beruhigen? Ja? Bitte! Ich kann so nämlich nicht arbeiten. Danke. Geht auch schnell: Der SC Freiburg gehört ja auch zu diesen vielen Mannschaften, die sich gerettet wähnen. Acht Punkte und drei Tore vor dem Hamburger SV müssten eigentlich reichen. Aber immer, wenn in einem Satz der Konjunktiv vorkommt, winden sich die Fußballlehrer der Republik und verweisen auf das rein rechnerisch noch Mögliche undsoweiterundsofort. Jetzt muss der SC Freiburg allerdings beim VfL Wolfsburg antreten und könnte sich ja einfach mal auf das rein fußballerisch Mögliche konzentrieren. Wolfsburg, das ist diese Mannschaft, die ihre Saisonziele wie einen Blinker betätigt. Champagnerliga ja, Champagnerliga nein, Champagnerliga ja. Sechs Tore und ein Punkt beträgt der Rückstand zur anderen Werkself. Da geht noch was. Und dann kommt ja nur der sich gerettet wähnende SC Freiburg. VW - SCF 3:2

Die andere Werkself hat sich unter Herrn Lewandowski (nein, nicht der, der andere) wieder in die Phalanx der Champagnerliga-Kandidaten gespielt. Jetzt also das Heimspiel gegen den BVB. Der sich ja für das deutsche Pokalendspiel im Rhythmus halten will. Kann man wollen. Bayer 04 - BVB 1:1

Als eine der wenigen Mannschaften, die sich noch nicht gerettet wähnen, reist der Hamburger Sport-Verein am Sonntag nach Augsburg. Augsburg, das ist diese Mannschaft, die vor der Saison schon als abgestiegen galt, die sich aber schon lange gerettet wähnen darf. Kunststück, mit 43 Punkten. Reicht ja sogar noch für die Fantaliga. Sind nur vier Punkte Rückstand. Und weil der FC Augsburg befreit aufspielen kann, kann der HSV auch gleich einpacken. FCA - HSV 3:1

Während Clemens Tönnies überlegt, wann und wie er Wladimir Putins Einladung in den Kreml folgen wird, um sich für die Gazprom-Milliönchen artig mit einem Günstlingsknicks zu bedanken, wollen die ständig knappen Knappen am Sonntagabend gegen Borussia Mönchengladbach die erneute Teilnahme an der Champagnerliga eintüten. Gladbach, das ist diese Mannschaft, die recht viel zu Werke bringen kann - wenn sie denn will. Klappt nicht immer. Denn das ist ja so eine Sache, wenn man sich schon lange gerettet wähnt und wohl auch ist. Sagen wir mal seit dem 17. Spieltag. Und mit dem Wollen ist das ja immer problematisch bei Männern, die im Erwachsenenalter mit kurzen Hosen in bunten Stollenschuhen auf Gras rumlaufen. Wird wohl letztlich eine Frage des Geldes werden. Wer die Millionen dringender braucht, gewinnt. Und Gladbach nimmt ja durch Spielerverkäufe jedes Jahr mehr als genug ein. Trotzdem: unfaires Spiel, unfaires. Schalke - Gladbach 3:1

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