Dienstag, 2. Oktober 2007

Falscher Einwurf

Es ist 20 Uhr, hier ist der erste deutsche Blogspot mit der Sportpresseschau. Am Tag 1 nach der englischen Woche herrscht in der Liga eine seltsam kühle Stimmung - irgendwo zwischen Apathie, Frust, Ratlosigkeit und kühler Selbstbeherrschung. Der WM-Frohsinn hat im Herbst 2007 endgültig die Liga verlassen, spätestens seit die hoch gerüsteten Bayern ganz Ballien besetzt halten. Ganz Ballien? Nein, ein kleines unbeugsames Dorf am Rande eines gigantischen Chemie-Werks leistete Widerstand und sollte die bajuwarische Streitmacht stoppen. Eher wider Willen und noch viel eher auf Grund der Schwäche der etablierten Zweiten aus Bremen und Schalke und der Mini-Krise des Deutschen Meisters aus Schwaben.

Brüchige Speerspitze Bayer 04

Bayer Leverkusen als Speerspitze der Liga? Das hatten wir doch schon mal, doch so weit ist es noch nicht (wieder). Aber so wollte es die Journaille und musste schließlich einsehen, dass dieses Ansinnen doch ein wenig weit her geholt scheint. Wie stumpf Spitzen (Kießling, Barbarez, Barnetta) doch sein können, wenn auf der anderen Seite Granaten (die torgefährlichste Doppelspitze seit Klaus Fischer & Rüdiger Abramczik die Schuhe an den Nagel hängten: Toni und Klose) und Raketen (Ribery, Jansen, Altintop) gezündet werden. Wie erstaunlich ein Klassekeeper wie Michael Rensing quasi direkt von der Bank ins Spiel geht und dabei wirkt, als hätte er die ganze Saison und die letzten beiden Spielzeiten bereits ohne Fehlminute und Tadel durchgespielt.

Das coole 1:0 der Bayern in Leverkusen zeigte mit dem knappsten aller Ergebnisse aber nur undeutlich den Klassenunterschied auf, der am Samstag am Rhein einmal mehr sichtbar wurde. Hier (Bayer) eine recht gute Bundesliga-Truppe, dort (Bayern) die Galaktischen aus Süddeutschland, die genau genommen in einer anderen, in einer ganz eigenen Liga spielen müssten. Sagen wir mal in der Europa-Liga. Für die aber haben sie sich bekanntlich nach der letztjährigen Grottensaison nicht mal qualifiziert. Nein, ich erwähne jetzt nicht den "Cup der Verlierer" (O-Ton Franz Beckenbauer).

Wende an der Weser nach 8:1-Kantersieg?

Und sonst? Jubel und Erleichterung in Bremen, dass mit dem Exodus von Miro Klose nicht auch noch die Leichtigkeit des Spiels abhanden kam - wie die Süddeutsche vor Wochen düster orakelte. Doch das rauschhafte 8:1 könnte die Wende an der Weser bedeuten - zumindest der Glaube an die eigene Stärke dürfte damit wohl zurück gekehrt sein. Wenn auch kaum ein Verletzter aus dem bestbesetzten Lazarett der Liga. Ernüchterung dagegen beim bedauernswerten Gegner aus Bielefeld: 1:8 - das bedeutete die höchste Niederlage seit dem 1:11 in Dortmund vor 25 Jahren. Auf der ostwestfälischen Alm, sieht man nach dem prima Saisonstart nun schon wieder bitteren Zeiten entgegen. Frust in Cottbus und Nürnberg, wo man auf der Stelle tritt, ohne genau sagen zu können, woran das eigentlich liegt.

Ohne Herz keine Energie

Im Osten weiß man aber zumindest jetzt schon, dass es nicht der Trainer war, sondern wohl eher das verkaufswütige Management, das mit Radu und Munteanu das Energie-Herzstück für 5 Millionen Euro an VW, ähem, dem VfL Wolfsburg transplantierte. Das jetzt an der Lausitz aber feststellen musste, dass es mit einem solchen Sturm (5 Tore in 8 Spielen) extrem schwierig sein dürfte, die Klasse zu halten.

Frust in Franken: Club tritt auf der Stelle

Frust in Franken: Beim 1. FC Nürnberg sollte man sich aber die letzte Saison noch einmal ganz genau unter der Lupe anschauen und nichts unter die Teppiche des Grossisten Michael A. Roth kehren. Es war die erfolgreichste Spielzeit des Clubs seit extrem langer Zeit. Deswegen sollte man beim POKALSIEGER (!) und EUROPAPOKAL-Teilnehmer (!!) die Nerven behalten und Hans Meyer einfach ganz in Ruhe weiterarbeiten lassen. Der Mann weiß, was er tut und diverse andere Vereine warten nur nervös darauf, dass er wieder auf dem Markt zu haben ist.

Kellerduell im Revier: Leblos 09 - VfL Unabsteigbar

Entsetzen auch im Pott, wo sich mit dem BVB (RN: Leblos 09) und dem VfL Bochum ("Die Unabsteigbaren") zwei zur Zeit taumelnde Rivalen zum Duell der Enttäuschten beim Flutlichtspiel am Freitagabend (20 Uhr, LIVE bei NEUlich im Netz!) zum Westfalenderby treffen. Selbst die normalerweise extrem lokalpatriotisch agierenden Dortmunder Tageszeitungen Westfälische Rundschau (WR) und Ruhrnachrichten (RN) haben nach drei Klatschen in neun Tagen schon längst widder die Nerven verloren und watschen die bestenfalls durchschnittlich besetzten schwarz-gelben Kicker inklusive Trainer und Sportdirektor ab.

Nur BVB-Boss Watzke, ein ebenso knorriger wie manchmal cholerischer Sauerländer, bleibt weitest gehend von der Schelte verschont. Obwohl er den Trainer Doll erst möglich machte und Susi Zorc die Verantwortung für die Kader-Zusammenstellung weiterhin überließ. In den hysterischen Internet-Foren, wo längst schon wieder "Trainer raus"-Rufe skandiert werden, bleibt der Vorstand aber unbehelligt, weil ja die Zahlen stimmen. Bedenklich.

Große Borussia lernt nicht aus Fehlern der kleinen

Vielleicht sollte man aus Dortmund mal zur anderen, zur "kleinen Borussia" nach Gladbach schielen, wo die Führung aus ausgewiesenen Fußball-Laien zwar jahrelang prima Zahlen auf ihren Powerpoint-Charts präsentierte und ein schmuckes Stadion aus dem Boden stampfte. Wo aber weit über 50 Lizenzspieler und vier Trainer seit dem Abgang von Hans Meyer verschlissen wurden. Die Konsolidierung der Gladbacher muss nun in der 2. Liga erfolgen, was nach der Katastrophen-Saison im Abstiegsjahr eine unausweichliche Folge von Missmanagement und Unverstand an der Spitze war.

Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her

So etwas kann sich nun mal kein Wirtschaftsunternehmen auf Dauer erlauben. Auch wenn bei der kleinen Borussia vom Niederrhein zur Zeit auf Grund einer erstaunlichen Erfolgsserie von fünf Siegen in Folge euphorische Stimmung herrscht. Typisch Rheinland: Sowohl Trainer Luhukay (keine Lobby als Nobody) als auch Sportdirektor Ziege (dito) sowie das Präsidium standen kürzlich - nach der kümmerlichen Bilanz von zwei Punkten aus den ersten drei Spielen - noch mit dem Rücken zur Wand. Aber es bleibt wie es immer war: "Hosianna" und "Kreuzigt Ihn!" sind zwei Strophen desselben Kirchenliedes. Die Führungsverantwortlichen müssen trotzdem auch die eigenen falschen Personalentscheidungen verantworten - und nicht nur die der von ihnen eingestellten Trainer und Manager. Und sie müssen auch den eigenen Kopf hinhalten. Schließlich ist er es, der zuerst stinkt.

Wer will schon finanziell kerngesund absteigen?

Der VfL Bochum schöpft hingegen vor dem Derby aus der Tatsache Kraft, dass niemand von der, Tschuldigung, immer noch grauen Maus zwischen Dortmund und Schalke wirklich große Dinge erwartet. Obwohl die in der letzten Saison mit dem 8.Tabellenplatz tatsächlich mal wieder erreicht wurden. Hier arbeitet die sportliche Leitung eben leise Hand in Hand und scheinbar gänzlich ohne Reibungsverlust - wobei der Sachverstand auf allen Ebenen mehr zählt als ein vordergründig guter Name.


Die Erfolgsfaktoren: Präsident Altegoer: ein Vereinsboss vom alten Schlag und eben nicht: Vorstandsvorsitzender pipapo auf Aktien & Gedöns. Ein Mann, der genau weiß, was er warum tut - auch wenn es oft genug Entscheidungen des Bauches waren - wie zum Beispiel die lautsprecherischen Trainer Toppmöller, Neururer. Doch der Kopf war bei diesen Entscheidungen auch nie gänzlich ausgeschaltet. Der Präsident in Bochum schaut eben zunächst auf den Platz, wo es nach Adi Preißler ja bekanntlich "entscheidend" ist - und erst dann auf die Zahlen. Wer will schon finanziell kerngesund absteigen wie weiland Gladbach?

Stefan & Uwe - wie weiland vor der Bude

Zudem hat es das Bochumer Urgestein (gab es eigentlich jemals einen anderen Präsidenten beim VfL?) dabei verstanden, Integrationsfiguren zum VfL zurück zu holen. Mit Stefan Kuntz und alten Helden wie Uwe Leifeld (seit 1.10. als Scout endlich aus Münster ins Fußballgeschäft zurückgekehrt) hat er Sympathieträger mit ausgewiesener Fußball-Spürnase an den Verein gebunden. Und mit Marcel Koller, einen Trainer geholt, der bei seinen ersten Gehversuchen in Köln (2003/2004) hoffnungslos unter- und geringschätzt wurde. Ein Glücksgriff war aber vor allem Vielflieger und Manager-Newcomer Stefan Kuntz, der zahllose Nobodies von Vereinen mit unaussprechlichen Namen verpflichtete - allesamt ablösefrei. Wer weiß, ob nicht wieder ein Gekas darunter ist, der mit seinem unausweichlichen Transfer im nächsten oder übernächsten Jahr wieder 6-8 andere Neuverpflichtungen ermöglicht? Auch wenn in Bochum niemand große Dinge vom VfL erwartet: Gegen einen Sieg in Dortmund dürfte an der Castroper Straße niemand etwas einzuwenden haben.

Langweiligste Liga aller Zeiten? Nur an der Spitze

Auch wenn die Liga an der Spitze so langweilig wie selten zu werden droht: In den unteren zwei Dritteln bleibt es ausgewogen und spannend. Hier kann wirklich jeder jeden schlagen. Und über die Absteiger werden wir uns am Ende wundern. Wetten?

Ich mailde mich widder.

Berti

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