Sonntag, 30. November 2008

Ein Zug nach Nirgendwo

Neulich im richtigen, prallen Leben: Ich will mir meine (zumindest am Freitag und Samstag) tägliche überregionale Zeitung holen und gehe in den Kiosk meiner Wahl. Zu Ali, der eigentlich Alfred heißt, abba das ist eine ganz andere Geschichte. Der Fußweg von der Verkaufsauslage der Münchner Neuesten Nachrichten aus (man beachte die Reihenfolge) Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport, dieser Fußweg bis zum Tresen dauert für einen Schlenderer wie mich gute 10 Sekunden.

Ich komme also vorne an und will meine 190 Cent berappen, da liegt da schon was. Eine Packung Afri. Das sind diese kurzen, dicken Zigaretten, die man angeblich schon im Berlin der 20er Jahre so gerne rauchte (wahrscheinlich ein schön erfundenes Marketing-Märchen - abba die Welt will nun mal betrogen werden, also soll sie betrogen werden*).
Ich kenne ja keinen, der das in seinem Stamm-Cafè nicht gerne hat: Man kommt rein, wird freundlich begrüßt und hat kaum die Jacke über die Stuhllehne gehängt, zack!, da steht schon die freundliche Kellnerin mit einem Latte Machiato (Espresso, Cappuccino, Milchkaffee, Earl Grey...) und einem Glas Leitungswasser neben dir. Ohne dass man noch umständlich hätte bestellen müssen.

Ich hatte mal
ein Lieblingscafè mit einer Lieblingskellnerin (Huhu, Anke!), da hatte ich vom Betreten der Räumlichkeiten bis zum Servieren des Üblichen 15 Sekunden Zeit. Um mich zu Wort zu melden und etwas anderes zu bestellen. Und so die befleckte Milch (vgl. linkes Bild) zu verhindern. Ich finde das angenehm. Ist so wie nach Hause zu kommen. Naja, fast. Wo war ich eigentlich stehen geblieben? Ach ja: Ich will meine Zeitung bezahlen, und da liegen also schon die Zigaretten da. Und Ali fragt, als er meinen erstaunten Blick sieht: "War doch richtig, oder?!" Jetzt muss ich dazu sagen: Ich rauche zur Zeit nicht. Seit über 150 Tagen. Hatten Ali und ich auch schon mal drüber gesprochen. Ich wollte ihm ja schließlich erklären, warum ich nicht mehr täglich komme, sondern nur noch manchmal, zumeist freitags und samstags - und dass ich nicht ihm, sondern Philip Morris untreu geworden bin.

Naja, wir geraten also widder in ein kleines Geplänkel um Rauchen und Nichtrauchen (Alis Tür ziert ein Aufkleber mit einem grünen Dreieck: "Raucher-Schutzzone") und er sagt: "Mensch, schon fast ein halbes Jahr. Da biste ja aus dem Gröbsten raus." Naja, ich für meinen Teil glaube ja nicht daran, dass man in Sachen Nikotin jemals aus dem Gröbsten raus sein kann. Ich meine, ist mir schon klar, Aufhören ist ja ganz einfach, habe ich auch schon zehn, zwölf Mal geschafft. Den Kalauer bringt Ali dann auch noch, mit der kleinen Variante, dass es sein Freund schon sechzig Mal geschafft hbe. Nun gut.

Ich erinnere mich abba just in diesem Moment auch daran, dass mir auch Ali irgendwann mal erzählt hatte, er habe auch schon mal aufgehört. Ich frage also nomma flugs nach und er sagt, "Ja, schon. Mal für sechs Monate." Und ich, haha, sage, "Mensch, Ali, da warst du doch schon aus dem Gröbsten raus. Warum hast du denn widder angefangen?" Ich fand das nämlich immer super anstrengend, mir das Rauchen widder anzugewöhnen. Klappte nicht spontan, sondern dauerte bestimmt ne halbe Packung. Ich also zu Ali: "Ging dir das denn nicht so? Für mich war das Anfangen immer widder harte Arbeit." Er überlegt kurz, abba wirklich nur ganz kurz: "Nee, überhaupt nicht. Ein Zug und die Welt war widder in Ordnung."

*
"Mundus vult decipi. Ergo decipiatur!" ("Die Welt will betrogen sein, darum sei sie betrogen.")
Dieses erweiterte lateinische Zitat wird von Thuanus (1556) auf den päpstlichen Legaten Caraffa, auch: Gian Pietro Carafa, zurückgeführt; er war 1555-59 Papst Paul IV.

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