Sonntag, 23. Februar 2014

Gibraltar ist das neue Belgien

Was haben wir am 22. Spieltag der Fußball-Bundesliga gelernt? Unter anderem, dass auch a) Gibraltar die Bayern in ihrem stärksten Jahr aller Zeiten nicht gefährden kann und b) dass die deutsche Sportjournaille durchaus mal ihr Vokabelheft ergänzen sollte. Jubel im Lager der deutschen Nationalelf: In der Qualifikationsgruppe zur EM 2016 wurde dem Weltmeister von 2014 mit Gibraltar, dieses an der Südspitze der iberischen Halbinsel gelegene britische Überseegebiet, das 1713 im Frieden von Utrecht - warum auch immer - von Spanien an England abgetreten wurde. Das Land ohne Hauptstadt aber mit Nationalstadion und - mannschaft gilt als einer der Geheimfavoriten des 16er Turniers. Ein Traumlos. Zwei rassige Duelle werden erwartet. 


Gibraltar. Bislang nur
bekannt aus "Das Boot".
Aber: "Gibraltar
ist das neue Belgien".

(Foto gefunden auf und verlinkt mit:
 
http://upload.wikimedia.org/wikipedia)

Denn Gibraltar (Wahlspruch: "Für keinen Feind eroberbar") gilt nicht erst seit heute für viele als der Geheimtipp im europäischen Fußball. Nicht umsonst, denn Gibraltar ist das einzige europäische Team, das bis heute UNGESCHLAGEN ist. Die Bilanz: Kein Sieg, ein Unentschieden, keine Niederlage. Gibraltar, das sich durch einen Entscheid des internationalen Sportgerichtshof CAS 2011 in die UEFA einklagte, die die Aufnahme Gibraltars zweimal abgelehnt hatte, bestritt am 19. November 2013 im portugiesischen Faro ihr erstes offizielles Länderspiel gegen ein anderes UEFA-Mitglied. Gegen die Slowakei gab es ein umjubeltes 0:0. Es wird also schwierig für Bundestrainer Jupp Heynckes, der die bayrischen Weltmeister von 2016 auf den Spuren Spaniens 2016 auch zum ersten EM-Titel seit 20 Jahren führen soll. Im Kader des Weltmeisters von Rio spielen 18 der 23 EM-Fahrer mittlerweile für die Bayern. Ein Dortmunder, ein Schalker, ein Gladbacher, ein Leverkusener und ein Kölner komplettieren den Kader. Das Quintett soll dem Vernehmen nach allerdings längst Vorverträge in München unterzeichnet haben. Als Manager der Nationalelf steht zudem die Unterschrift von Karl-Heinz-Rummenigge unmittelbar bevor. 

Jeder ist seines Glückes Schmied.

(Quelle: Internet)
Kleine Abschweifung, tschulligung. Wo waren wir, ach hier: Gibraltar. Die Talentscouts geben sich derweil auf dem 6,5 Quadratkilometer großen und 28.750 Einwohner zählenden Zipfel zunächst die Klinke und dann die Handynummer von Fabian Picardo in die Hand. Ohne den Chefminister geht dort nämlich gar nix, auch kein Transfer. "Gibraltar", so sagte uns neulich noch ein intimer Kenner der Szene, "ist das neue Belgien. Ihr werdet alle noch staunen".

Tun wir schon jetzt, denn als wir Sonntag Nachmittag ahnungslos das Autoradio einschalteten, plärrte ein NDR-Reporter aufgeregt, dass "Hannover 96 sensationellerweise den Bayern standhalte" und dass 96 vielmehr "das Heimspiel nicht herschenken", sondern vielmehr "gewinnen wolle", weil es ja ein Heimspiel sei. Und dass allein die Aufstellung mit im internationalen Fußball völlig ungewöhnlichen zwei (!) Spitzen zeige, dass 96 mutig nach vorne spielen wolle. Und dass diese Taktik gegen die Münchener C-Elf voll aufgehe. Erstaunlicher fanden wir dann aber vor allem die Abmoderation des Kollegen. Nein, nicht "zurück in die angeschlossenen Funkhäuser", was ja leider und völlig unverständlicherweise kaum noch Verwendung findet. Sondern: "96 kann dem Druck der Bayern standhalten. Das ist eine Überraschung. Gespielt sind sechseinhalb Minuten". Hm. In der Tat überraschend. Und man muss sich fragen, wer das Spiel eigentlich im Vorfeld mehr abgeschenkt hat: 96 oder der NDR?

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