Nach dem 30. Spieltag der Fußball-Bundesliga ist eine Frage offen, mit der vor einigen Wochen wohl kaum jemand gerechnet hatte. Wer soll eigentlich bei der WM in Südafrika das deutsche Tor hüten? Renè Adler? Seit Bundes-Torwarttrainer Andreas Köpke sich recht frühzeitig im ganz eigenen Team-Löw-Jargon auf den Leverkusener Youngster als denjenigen festlegte, der im Kampf um die Nr. 1 die Nase einen Tick vorne habe, flattert der Adler durch den Strafraum, als habe er britische Ahnen.
Oder doch Manuel Neuer? Seit der Schalker Jung-Knappe die Nachricht erhielt, dass er wohl die Nase einen Tick dahinter habe, irrt der einst souverän-abgebrüht den Strafraum beherrschende Hüne vor dem Kasten herum wie ein auf der Insel Geborener. Beide Keeper strahlen derzeit soviel Sicherheit aus wie ein Atomkraftwerk aus den Achtzigern. Weswegen sie auch einige Spiele für die ehemaligen Meisterschaftskandidaten Leverkusen und Schalke auf dem Gewissen haben.
Es ist eine Binsenweisheit, dass zumeist nicht derjenige Meister wird, der die meisten Spiele gewinnt oder der gar den schönsten Fußball spielt und die meisten Tore schießt, sondern derjenige, der über die perfekte Abwehrorganisation verfügt. Und derjenige, der den besten Keeper hat. In München steht ein gewisser Hans-Jörg Butt im Kasten, der vor fünf Jahren seinen Stammplatz im Bayer-Tor an einen gewissen Renè Adler verlor. Der HSV steht im Halbfinale der Europa League mit einem gewissen Frank Rost zwischen den Pfosten, der seinerzeit seinen Stammplatz auf Schalke an einen gewissen Manuel Neuer verlor.
Butt und Rost können in diesem Jahr gleich mehrere Titel holen. Nicht wegen der Stärke der Abwehrreihen - wir denken mit Schrecken an die Rozenahls, Alabas, Demichelis' und Boatengs in den Viererketten der Bayern und Hamburger - sondern trotz der Abwehrreihen des HSV und des FCB. Der Keeper macht häufig den Unterschied. Auch ein gewisser Jens Lehmann ist mit seinen zarten 40 ein nicht unwesentlicher Erfolgsfaktor für die atemberaubende Rückrunde des VfB Stuttgart, die einen heißen Abstiegskandidaten zu einem ernsthaften Anwärter auf die Europa League machte.
German Angst ist ein Begriff der Angelsachsen für die deutsche Mentalität der Verzagtheit. German Torwartproblem ist zwar auch im April 2010 wohl eine Zwickmühle, in der jeder Engländer sicher liebend gerne steckte. Aber leider auch etwas, das Jogi Löw zwischen allen Debatten um zurückzuholende Mittelstürmer, tief ins Leistungsloch gestürzte Jungstars und ehedem als Top-Scorer umjubelte Zentralstürmer sicher nicht unter Punkt 1 auf seiner WM-Wunschliste führt.
Was war eigentlich das Thema? Ach ja: In der Bundesliga ist auch nach dem 30. Spieltag noch nicht jede Frage abschließend geklärt, aber wir nähern uns doch unübersehbar den Antworten. Der FC Bayern hat in diesem Jahr - trotz des recht kräftezehrenden Tanzes auf den berühmten drei Hochzeiten - beste Chancen auf den Titel. Nach dem eigenen 1:1 in Leverkusen und der 2:4-Klatsche von Schalke in Hannover haben die Münchner jetzt zwei Punkte Vorsprung bei noch vier ausstehenden Spielen und einem überschaubar schweren Restprogramm in Liga und Champions League (wir lassen die hohe Endspiel-Niederlage gegen Barcelona mal einfach außen vor - zumal es nach dem Bayern-Double aus Meisterschaft und Pokalsieg terminiert ist).
Schalke und Leverkusen werden in der Champions League spielen, der BVB (0:1 in Mainz) und Stuttgart (1:0 in Berlin) treten neben Pokalfinalist Werder Bremen in der Europa League vor den Vollkunststoffball. Zweimal drei ist doch ein prima Faktor in den europäischen Wettbewerben. Und der HSV? Ach, der HSV Gut möglich, dass er sich ins Finale im eigenen Stadion schiebt. Aber dass eine so wacklige Abwehr wirklich noch drei Spiele in der Europa Legaue so erfolgreich gestaltete, dass Hamburg als Titelverteidiger den siebten deutschen Vertreter in den europäischen Wettbewerben stellen darf? Die Antwort ist ein ebenso beherztes wie unsicheres Vielleicht. Mit Fragezeichen dahinter.
Mit Borussia Mönchengladbach hat sich übrigens ein weiterer Bundesligist durch einen erstaunlichen 2:0-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt jetzt wirklich aller Abstiegssorgen entledigt. 1899 Hoffenheim hat Glück, dass mit 34 Zählern schon genügend Punkte auf dem Konto sind. Im Kraichgau geht gar nichts mehr, was beim Grottenkick gegen die jetzt punktgleichen Kölner (0:2) sehr anschaulich zu bewundern war. Freiburg verlor in Bremen nicht nur wieder recht hoch (0:4), sondern durch den gleichzeitigen 96-Husarenstreich gegen Schalke auch wieder den Relegationsplatz. Und Hertha? Ach, Hertha. Wer die Heimspiele mit den Auswärtssiegen der Berliner vergleicht, kommt zu dem Schluss, dass diese Tasmania-Gedächtnis-Hinrunde einfach nicht mehr aufzuholen war. Müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn nicht die aktuell letzten drei Mannschaften die letzten drei Plätze unter sich ausspielen.
(Foto gefunden auf und verlinkt mit: household-discounter.de/)
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