Sonntag, 18. April 2010

...denn Herr Hein sucht die Wut

Neulich erzählte mir ein Kumpel, dass er unbedingt auf die Gästeliste eines Konzerts kommen müsste. Er wolle sich das nicht entgehen lassen, auch wenn bestimmt niemand freiwillig mitkäme. Er hatte natürlich Recht: Zu Uriah Heep kann ja wirklich niemand wollen, der seine musikalischen Tassen noch einigermaßen im Plattenschrank hat. Was für meinen Kumpel natürlich nicht zutrifft, vielmehr muss an dieser Stelle irgendein seltener Gendefekt vorliegen. Oder Mutation!

Bei mir liegt das aber vor allem daran, dass ich schon früher nicht "She came to me one morning, one lonely sunday morning" hören wollte - erst recht nicht live. Von "Easy Living" mal ganz abgesehen. Aber normalerweise liegt das schlicht und ergreifend daran, dass ich nicht bereit bin, mir die Erinnerung und Verklärung an einige Bands und Mucker durch die Gegenwart kaputt machen zu lassen.

Was Wunder, dass ich auch immer sehr skeptisch reagiere, wenn alte Helden aus meiner mittlerweile recht weit entfernt liegenden Adoleszenz in der Jetztzeit nach langer Pause wieder anfangen Platten aufzunehmen. Das will ich nämlich nicht. Zumindest nicht hören müssen. Weil die Mythen in Tüten bleiben und die Legenden nicht durch die Wirklichkeit Schaden nehmen sollen. Ich meinte bislang, mit dieser konservativen Beharrlichkeit ganz gut gefahren zu sein, von einigen kleinen Fahrfehlern mal abgesehen. Doch fast wäre mir dadurch auch ein erstaunliches Album entgangen, dass mir jetzt in die Hände fiel. Von den Fehlfarben.

Ja, genau die Fehlfarben, die 1980 mit ihrem Debüt "Monarchie und Alltag" ein Monument des deutschen Spätpunk in die unmittelbar vor der kunterbunt sprießenden Neuen Deutschen Welle noch dunkelgraue Beton-Landschaft  setzten. Bis heute ein Tondokument, das den düsteren Beginn der 80er in Deutschland so gut in Rillen presste, wie kaum ein zweites.

 

30 Jahre später hat nun Sänger Peter Hein die Wut wieder entdeckt, was den bassgetriebenen Stücken auf "Glücksmaschinen" wirklich bestens bekommt. Was sich also bereits 2002 mit dem respektablen Neuanfang von "Knietief im Dispo" schon andeutete, geht hier mit Volldampf Zurück in die Zukunft.

Der Wahnsinn des virtuellen Seelen-Striptease und die Merkwürdigkeiten des erwachsenen Lebens im Agenda-Jahr sind unter anderem Themen, um die es dem vor einigen Jahren nach einer gefühlten Ewigkeit bei seiner Dauerarbeitsstelle Xerox entlassenen Sängers geht. Peter Hein tritt in der zweiten Halbzeit seines eigenen Lebens auf einmal wieder richtig ungehalten ans Mikro. Respekt? Vergiss es! Von wegen Altersmilde. Großes Album von alten Helden. Das gibt's also auch. Gut zu wissen.

(Plattencover gefunden auf und verlinkt mit: fehlfarben.com/)

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