Montag, 20. April 2009

Er schon widder

Irgendwie doch alles eine Mischpoke im Pott: Frank Goosen äußerte sich einfach mal über die neueste CD/DVD von Stoppok "Auf Zeche". Das hätte ich besser nicht gekonnt, deswegen will ich Euch das auch gar nicht vorenthalten:

"Man bewundert an anderen ja oft, was man selbst nicht kann. Ich zum Beispiel sehe in gestreiften Hosen, geblümten Hemden und bunten Schuhen richtig scheiße aus, aber der Stoppok kann das tragen. Der Stoppok ist das, was man im Ruhrgebiet eine "echte Fresse" nennt, was durchaus liebevoll gemeint ist, und dazu passt auch, das man kaum je auf die Idee kommen würde, ihn bei seinem Vornamen "Stefan" zu rufen.

"Der Stoppok" - das hört sich auch an wie ein seltenes Tier. Es kann nur einen geben. Der Stoppok ist nicht unbedingt menschenscheu, immerhin zeigt er sich oft und gern vor hunderten, ja tausenden von Menschen, doch war er stets skeptisch, ob das denn filmbar und auf Knopfdruck wiederholbar sei, ob in der optischen Konserve das, was einem wichtig sei auch alles rüberkomme. Die vorliegende DVD beweist eindrucksvoll, dass diese Sorge des Stoppoks unbegründet war.


Mit dem musikalischen Oevre des Stoppok, der früher urbane Lebensräume im Ruhrgebiet durchstreifte, heute jedoch ein neues Revier in Oberbayern gefunden hat, kam ich über einen Umweg in Berührung. Herr Malmsheimer, mein ehemaliger Partner bei Tresenlesen, hatte einige Songs von Stoppoks erster Formation Stenderband verinnerlicht. Wie oft wir während nächtlicher Gelage nach unseren Auftritten alkoholisch angespitzt "Wenn ich an der Wupper schnupper, dann schlägt mein Magen Alarm" grölten oder "Wir gehen runter zum Park, ja der war mal so stark, da ist jetzt nur noch Lehm zu sehn", bleibt ungezählt.

Ich fragte mich, wieso ich nicht auf so etwas kam. Mit einer Karriere als
Singer/Songwriter hatte ich abgeschlossen, ich konnte keinen Takt halten, meine dicken Finger rutschten auf dem Griffbrett meiner alten Westerngitarre ziellos umher und bei G-Dur war Schluss. Aber mal was Schönes reimen, das würde doch dem eigenen Schaffen eine interessante Facette hinzufügen. Aber auf so was wie "Das ist die harte Zeit zwischen Twen Tours und Seniorenpass / keiner gibt Rabatt, keiner, der Erbarmen hat" kommt man dann doch nicht.

Der Stoppok textet von komisch und albern bis still und melancholisch, aber nie sentimental. "Nasse Füße, trockene Kehlen", heißt es in "Django" von der 91er LP "A’schklar", und die nächste Nummer "Aus dem Beton", schwingt sich zu einem der schönsten Liebeslieder deutscher Zunge auf: "Sie hat alleine gelebt, vegetiert auf dem Mond / es hat leise gebebt / ja, der Mond ist bewohnt/ und ihr zittern die Hände." Der Stoppok ist ein Geschichtenerzähler, viele seiner Songs sind komprimierte Kurzgeschichten, Love Storys zwischen Menschen, deren Blätter schon eng beschrieben sind. Schon das gemeinsame Schleppen eines Kühlschranks kann romantisch sein.

Die Figuren des Stoppok heißen Willi und Gerd und Inge und Wolfgang und Freddy und Lilly und Horst, sie hocken in der Kneipe oder stehen in der Dönerbude, haben kein Geld, aber manchmal ein Messer in der Hand. Nicht nur dieses Personal verortet die Geschichten des Stoppok klar im Ruhrgebiet. Sein nasales Organ hat diesen Ruhr-Drawl, den man entweder hat oder nicht. Allzu oft denken Auswärtige, man müsse nur ein bisschen Datt und Watt sagen und schon kann man schlabbern wie die Alten. Der Stoppok muss nicht Datt und Watt singen, um klar zu machen, wo er herkommt, auch wenn er an der Wasserkante geboren wurde. Und auf "Silber" von 1995 klingt das Ruhrgebiet ganz direkt mit, hallig und raumgreifend, aber doch warm, aufgenommen in der Lohnhalle der alten Zeche Bonifacius in Essen-Kray. Klar, das kriegt ein gewiefter Techniker auch im Studio hin. Nur anders.

In der Gegend zwischen Recklinghausen und Hattingen, Unna und Duisburg kann man mit vielem unangenehm auffallen, vor allem aber wenn man ein Schwätzer ist. Und Schwätzern geht der Stoppok besonders gern an den Kragen, den Dumpfbacken und Dünnbrettbohrern: "Schwafel nicht rum, es wird ja dadurch nicht besser / Mach nicht auf lieb und wetz schon heimlich dein Messer". Und auch die Musik ist jenseits allen Geschwafels, aller Blenderei: Profis bei der Arbeit, Männer, die wissen, was sie tun, ohne dabei abgezockt und routiniert zu wirken. Der Stoppok funktioniert mit Band und Solo, reich ausgearbeitet genauso wie aufs Wesentliche reduziert.

Auch ist der Stoppok immer so beneidenswert unpeinlich, singt auf seiner aktuellen CD "Sensationsstrom" in einem Atemzug davon, dass nur ein Herz niemals mit Zitronen handeln kann und im anderen von Dr. Pillemann, der einem jederzeit aus pharmazeutischen Engpässen hilft. Und er mag ja jetzt in Bayern hocken, stellt aber immer noch die richtigen Fragen: "Doch wie willst du die Heimat finden, wenn du nicht weißt, wo die Laterne steht". Auf dem Cover trägt er wieder ein geblümtes Hemd und karierte Schuhe. Aber der Stoppok kann das immer noch tragen."

(Quelle: Frank Goosen im Stoppok-Online-Newsletter über die CD/DVD "Auf Zeche".)

Keine Kommentare: