"Du willst Monogamie? Heirate einen Schwan!"Es ist immer wieder großartig, wenn Erziehungsberechtigte auch lange nach Ablauf ihrer pädagogischen Pflicht noch so hilfreiche Tipps geben können. Vor allem, wenn diese Hinweise und Ratschläge ebenso unaufgefordert wie unerwartet kommen und dabei gleichzeitig so hilfreich, weil mit konkreten Handlungsanweisungen verbunden sind, wie in diesem plastischen Beispiel, das leider nur aus einem richtigen Film - und nicht aus dem gleichnamigen Leben stammt.
(Sodbrennen, 1986)
Unschön dagegen ist, dass das cineastische Credo heute schon genauso überholt wirkt wie die ornithologischen Glaubensbekenntnisse der letzten 150 Jahre. Darauf wies unlängst nicht nur Richard David Precht in seinem neuesten Besteller "Liebe" hin, sondern jetzt auch ein Autorenteam in der überaus empfehlenswerten Zeitschrift "WISSEN" (Ausgabe 06/09). Menschenforschern dient ja oft und gerne der Blick auf unsere animalischen Freunde und Feinde, um allzu menschliches Verhalten, sagen wir mal Fremdgehen, zu erklären.
Die Legende von der treuen Maus.
Da galten die legendären Präriewühlmäuse seit Menschengedenken ebenso wie die eingangs erwähnten cholerischen Großvögel als Musterbeispiel für Monogamie und lebenslange Treue zu nur einem einzigen Lebenspartner, bis dass der Tod sie scheide. Dumm nur, dass weder die süßen Mäuse, noch die treuen Schwäne ohne Seitensprung durch's Leben kommen - und wenn, dann zumeist aus reinem Zufall: vielleicht, weil Gevatter Sensenmann in Form eines Greifvogels oder - lassen wir mal der Phantasie freien Lauf - in Form eines niegelnagelneuen Mähdreschers, einfach in den ganz schnellen Stiefeln unterwegs war. Aber worauf will ich eigentlich hinaus?
(Zweck-)Freie Liebe.
Die "WISSEN"-Autoren halten auch nicht wesentlich mehr oder gar deutlich neuere Erkenntnisse parat als unser gern und oft und zurecht zitierter Herr Precht. Aber interessant zu lesen ist die Quintessenz dann doch: "Die Liebe (..) ist zweckfrei, man kann sie nicht vertraglich eingehen. Man kann nicht einmal beschließen, eine Liebesbeziehung zu haben. Man hat sie einfach (...)." Und muss dann irgendwann feststellen, dass man sie nach den Anforderungen einer modernen Partnerschaft, nach dem Einbruch des Alltags in die Zweisamkeit und nach der täglichen Routine und Monotonie irgendwie gar nicht mehr fortsetzen kann, genauer: will. (Vgl.: Mythos Monogamie, in: WISSEN 06/09: 26) Das Ergebnis: Trennung von Tisch und Bett, zumindest von einem der beiden.
Mindesthaltbarkeit: 4,5 Jahre.
Es gibt sogar einen idealen Zeitpunkt dafür: Nach viereinhalb Jahren. Dann lassen uns die kleinen chemischen Freunde namens Hormone ohnehin völlig im Stich, zumindest was die Liebe angeht. Wie überraschend, dass dies mit dem Peak der Scheidungsrate übereinstimmt. Und dass es Naturvölker gibt, in denen bei Frauen nach der Geburt des ersten Kindes sogar der Eisprung für exakt diesen chemisch recht einheitlichen Zeitraum zwischen vier und fünf Jahren aussetzt. Praktisch, woll?!Monogamie = Utopie.
Aber im Ernst: Die Autoren wissen - oder zumindest tun sie so - dass es ihrer Ansicht nach so etwas wie "richtige" Monogamie nicht gibt. Weder bei unseren gefiederten noch bei unseren befellten Verwandten aus dem Säugetierreich - und leider (?!) auch nicht bei uns. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Die dürften aber zwischen 1 und 3 Prozent liegen, vorsichtig geschätzt - und opimistisch. Es gebe vielmehr so etwas wie soziale und serielle Monogamie. Aha.
Untreue ist normal.
Vielleicht ist es aber auch einfach nur so, dass man wissen muss, was man will - und das dann einfach auch zu tun - oder es wenigstens versuchen. Ohne Rücksicht auf angebliche genetische Zwangsprogramme und interne chemische Keulen, die den Einen oder die Andere - quasi gegen den eigenen Willen - nötigen, mitunter einfach mal kurz zur Seite zu springen. Mir zumindest ist diese pseudowissenschaftliche Legitimation von Untreue viel zu vage und zudem viel zu kurz gesprungen. Aber es ist natürlich beruhigend zu wissen, dass es ganz normal ist, untreu zu sein, weil der Mensch halt genetisch so gestrickt ist - einfach, weil er ein Säugetier ist.
"Gen-Shopping" macht Spaß.
Lassen wir uns auf diese bestechende Logik der Biologen und Evolutionsforscher mal kurz ein. Tut gut, oder?! Ich bin der Sklave meiner Gene. Ich kann gar nicht anders. "Gen-Shopping" nennen Biologen das auch gerne. Hört sich doch niedlich an. Und überhaupt: Wem schadet es denn, wenn es doch ohnehin jeder tut - oder zumindest alle potentiell liebend gerne tun möchten - und die einen es sich mühsam verkneifen und die anderen - womöglich noch die Ehrlicheren unter uns - es einfach tun, weil es ja gar nicht anders geht.
Es lebe die Unvernunft.
Also ich persönlich habe mal vom Menschen als quasi einzigem* vernunftbegabten Wesen auf Erden gehört, der neben seinem recht einzigartigen Verstand eben auch zumindest über die Fähigkeit zur Vernunft verfügt. Ob ich diese Fähigkeit nun nutze, trainiere oder verkümmern lasse, bleibt eigentlich meinem freien Willen überlassen. Und nicht meinen Genen. Aber wer hört schon gerne etwas von Vernunft, wenn Unvernunft doch die viel aufregendere Facette ist? Naja, wahrscheinlich ist es ohnehin mal wieder viel einfacher: Schon die Minnesänger des 19. Jahrhunderts wussten: "Nur unerfüllte Leidenschaft ist wahre Leidenschaft." (WISSEN 06/09: 25) Oder so.
* Das bezweifle ich mittlerweile allerdings vehement. Wieso sind Delphine und Wale wieso sind Menschenaffen und Hunde und wieso sind Schweine und Elstern per se unvernünftig? Sind sie nämlich nicht. Nicht alle, nicht immer. Im Gegenteil: Viele verhalten sich erstaunlich oft extrem vernünftig. Vernünftiger sogar als manche Exemplare der Spezies Homo Sapiens.
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